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von links: Steve, Sally, Elfrede, Geert-Jan.JPG

FAMILIENFORSCHUNG 

Auf Spuren der Vorfahren: Besuch aus Michigan in der Grafschaft

Von Julia Henkenborg

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Es ist ein kühler, aber sonniger Sonntagmorgen. Vom Hof Brüggemann in Halle reicht der Blick weit über die Felder bis nach Holland, wie Geert-Jan Brüggemann seinen Gästen Steve und Sally Jo Stegink erklärt. Das Ehepaar ist aus dem US-Bundesstaat Michigan angereist, um einige Tage in der Grafschaft Bentheim zu verbringen. Für den 74-jährigen Steve ist es eine Reise in die Vergangenheit: Sein Ur-Ur-Großvater Berend Stegink soll als Kind auf dem Brüggemann‘schen Hof gelebt haben, bevor er 1849 in die USA auswanderte. 

Begleitet werden die Steginks von Elke Bischop-Stentenbach und Elfriede Weelink, die sich seit Jahren mit Familienforschung und Heimatgeschichte befassen. Zu ihnen hatten die US-Amerikaner vor gut einem Jahr via Mail Kontakt aufgenommen. Gemeinsam mit Hofbesitzer Geert-Jan Brüggemann breiten sie nun am Küchentisch alte Kirchenbuchabschriften, Passagierlisten und genealogische Notizen aus. „Den Hof nachzuweisen ist einfach“, erklärt Bischop-Stentenbach. „Die Ahnen eindeutig zuzuordnen, ist dagegen deutlich schwieriger – ein Mann namens Berend taucht in den Unterlagen mal als Stegink auf, mal als Brüggemann.“ 

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Kindheit auf dem Hof Brüggemann

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Fest steht: Berend Stegink wurde 1811 geboren und kam im Alter von drei Jahren als Waise auf den Hof Brüggemann. Offizielle Adoptionen gab es damals nicht, doch um ihn eindeutig zuordnen zu können, wurde er in den Aufzeichnungen als „Berend vom Hof Brüggemann“ geführt. Bis zu seinem 38. Lebensjahr blieb er dort und pflegte eine enge Bindung zu Harm Brüggemann, dem Hoferben. Manche Überlieferungen berichten sogar, Berend hätte den Hof erben können – doch Harms Verwandtschaft war dagegen. 

Der Hof selbst, mit seinen alten Steinen im Eingangsbereich, weckt sofort die Aufmerksamkeit der amerikanischen Besucher. Namen und Jahreszahlen sind dort eingraviert – sichtbare Spuren einer Familiengeschichte, die Steve und Sally nun nachzuvollziehen versuchen. 

 

Auswanderung nach Michigan

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1849 verließ Berend die Grafschaft, gemeinsam mit anderen Emigranten und unter dem Einfluss des niederländischen Predigers Albertus Christian van Raalte, der zahlreiche Bentheimer zur Auswanderung ermutigte. Über 70 Menschen aus der Region folgten damals seinem Aufruf und machten sich auf den Weg nach Michigan. In der Passagierliste taucht ein „Bernhard Brüggemann“ auf, bei dem es sich vermutlich um Berend Stegink handelt. In Amerika aber führte er wieder seinen Geburtsnamen. 

 

Albertus Christian van Raalte (1811–1876)

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Der niederländische Prediger war eine Schlüsselfigur der Auswanderungsbewegung nach Nordamerika. 1847 gründete er die Stadt Holland im US-Bundesstaat Michigan. Van Raalte rief zahlreiche altreformierte Gläubige aus den Niederlanden und der Grafschaft Bentheim zur Auswanderung auf – mit dem Ziel, dort ihren Glauben freier leben zu können. 

Zwischen 1847 und 1850 verließen mehrere Dutzend Familien aus der Grafschaft Bentheim ihre Heimat. Rund 70 Menschen aus Orten wie Tinholt, Halle und Umgebung schlossen sich Van Raalte an. Viele Grafschafter siedelten sich fünf Kilometer südlich von Holland an und gründeten den Ort Graafschap. 

 

Berend gründete in Graafschap, Allegan County, eine Familie. Sein Sohn John Henry, geboren 1854, wurde Steves Urgroßvater. Über Generationen hinweg blieb die Erinnerung an die Herkunft lebendig. „Mein Vater hat mir einen großen, schwarzen Stegink-Familienordner geschenkt, in dem die Geschichte enthalten ist“, berichtet Steve, der selbst viele Jahre als Lehrer, Forscher und Professor in Michigan tätig war. 

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Familienforschung verbindet

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Für Elke Bischop-Stentenbach ist ein solcher Besuch kein Einzelfall. Sie forscht seit Jahren für die „Bentheimers International Society“, die regelmäßig Gruppen aus den USA in die Grafschaft begleitet. „Viele Amerikaner, besonders aus Michigan, Ohio oder Nebraska, haben ihre Wurzeln hier“, sagt sie. „Sie wollen die Orte ihrer Vorfahren sehen – und oft auch lebende Verwandte finden.“ 

Steve und Sally Stegink wohnen heute in Grand Rapids, Michigan. Dass sie nun am Ort der Kindheit ihres Ur-Ur-Großvaters stehen, macht die Familiengeschichte für sie greifbar. „Es ist bewegend zu sehen, wo alles begann“, sagt Steve. „Wir haben viele Geschichten gehört – aber hier zu stehen, ist etwas ganz anderes.“ 

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Bentheimers International Society

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Viele Grafschafter Familien gingen damals denselben Weg wie Berend. Rund 70 Menschen aus Orten wie Tinholt oder Halle machten sich 1849 auf die beschwerliche Reise über den Atlantik. Dass diese Verbindung bis heute lebendig ist, zeigt nicht nur die Spurensuche von Steve und Sally Stegink, sondern auch der Besuch einer ganzen Gruppe von 26 Amerikanern aus Michigan, die zeitgleich in der Grafschaft unterwegs war. Angehörige der Familien Balder, Bossink, Genzink oder Walkotte besuchten vom 19. bis 21. September die Region und suchten nach den Höfen ihrer Vorfahren. 

Während ihres Aufenthalts gab es ein Treffen im Kreis- und Kommunalarchiv in Nordhorn, wo unter anderem fast tausend handschriftliche Briefe aus Graafschap (Michigan) übergeben wurden, die in den 1930er- bis 1950er-Jahren geschrieben wurden. Auch ein altes Eisenfoto von zwei Mädchen, deren Vorfahren in den 1850er-Jahren aus Laar ausgewandert waren, fand seinen Weg zurück ins Archiv.

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https://www.gn-online.de/uelsen/auf-spuren-der-vorfahren-besuch-aus-michigan-in-der-grafschaft-587917.html 

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